Freitag, 1. Dezember 2017

Politjournalisten jetzt auch so blutrünstig wie Sportjournalisten

Wer erinnert sich noch an die Sondierungs/Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und den Grünen vor vier Jahren? Und wem wäre das damalige "Draufhauen" der Politjournalisten auf die Grünen noch präsent? Niemandem!

Warum? Ganz einfach: Es gab dieses Bashing heutiger Prägung noch nicht. Die Journalisten fanden es damals offensichtlich noch ganz normal, dass solche Verhandlungen dann schiefgehen können, wenn zwei Parteien einfach nicht miteinander können. Wohl des Landes hin, Wohl des Landes her.

Journalisten haben Grüne geschont

Genauso wenig hat im Nachklapp dieser Wahl vor vier Jahren nicht einer unserer Journalisten den Grünen vorgeworfen, dass sie mit ihrer Entscheidung die Demokratie zur Regierungsdiktatur haben verkommen lassen, weil eine fast 80%-Prozent Regierung mit der Lizenz zum Durchregieren, wie sie nur noch die SED auf deutschem Boden hatte, die Folge war. Auch nicht, dass die Grünen mit ihrer Hasenfüßigkeit die Umwelt weitere vier Jahre im Stich ge- und der (Miss)Gunst der Schwarz-Neoliberalen überlassen haben.

Heute, läppische vier Jahre später, haben die Journalisten solche Sondierungsverhandlungen offensichtlich ganz neu für sich entdeckt – und dass sie sich medial mit viel Getöse ausschlachten lassen. Überall haben sie ihre Schall-Phalli wie Melkbatterien den Politikern in den Weg gestellt, denen kurz das Gekröse saubergewischt und sie dann gemolken – bis endlich Blut kam.

Politjournalisten wollen Köpfe rollen sehen

Und wenn dann mal Blut geflossen ist, will der Politjournalist im Blutrausch den einen Schritt weitergehen. Er will Köpfe rollen sehen: Erst den von Lindner, diesem Umfaller, diesem Feigling, diesem Schauspieler, diesem Lebenszeitverschwender, usw, usw, ... – dann den von Schulz, diesem Verweigerer, diesem Umfaller, diesem Gesichtsverlustler, diesem 100%-Fehler der SPD, usw, usw.

Mit diesem neuen Gespür für Randale versuchen Politjournalisten offensichtlich so erfolgreiche Kopfgeldjäger zu werden, wie es im journalistischen Geschäft bislang nur die Sportjournalisten sind: Die stänkern und intrigieren, bis der Trainer endlich doch gefeuert wird. Bis der pöbelnde Fußballer vom Trainer dann doch auf die Ersatzbank oder gar auf die Transfer-Liste gesetzt wird. Das nimmt dieser Art von Journalismus ganz persönlich, das macht er sich zur Chefsache.

Journalisten verlegen sich vom Berichten aufs Richten

Der Journalist von heute berichtet nämlich längst nicht mehr über das, was ist, sondern stänkert und intrigiert so lange, bis die Welt so wird, wie er sie gerne hätte. Zumindest gilt das für den Teil der Journalisten, der überhaupt noch einen Standpunkt hat. Der andere Teil verlagert sich aufs reine Stänkern, und sobald er damit die Welt verändert hat, stänkert er gegen diesen neu von ihm herbeigestänkerten Zustand. Beispiel: von und zu Guttenberg. Zuerst zur Lichtgestalt geschrieben, dann zum Vollpfosten. Aktuell zum potenziellen Ministerpräsidenten.

Deshalb, lieber Herr Schulz, bleiben Sie standhaft! Zeigen Sie es diesem journalistischen Wolfsrudel und machen Sie das, was Sie in der neuen Situation für richtig halten. Sitzen Sie dabei den Politjournalismus heutiger Prägung einfach aus, denn der schafft sich gerade selber ab. Und folgt dem Sportjournalismus, der jetzt schon mehr und mehr von schreibenden, dichtenden und fabulierenden Algorithmen ersetzt wird. Den Rest des Geschäftes übernehmen Twitterer und Facebookler.

Schulz for Chanceler

Oder, lieber Herr Schulz, setzen Sie auch mal ein wenig auf medienwirksame Randale und bringen damit Leben in die miefige Bude: Geben Sie doch einfach den Schwarzen ihre so heiß geliebte neue GroKo – aber unter Ihrer Führung, mit Ihnen als Kanzler! Frau Merkel darf, wenn sie will, Ihre Umweltministerin werden oder Ihre Familienministerin. Aber vielleicht macht ihr ja auch jemand einen Ministerpräsidentensessel in ihrer Heimat frei.

Die Schwarzen werden das nicht goutieren, glauben Sie? Und wenn schon. Dann könnten Sie denen zumindest vorwerfen, dass es ihnen offensichtlich nicht um das Wohl des Landes geht, sondern nur um das Wohl ihrer Partei – oder, was längst gleichbedeutend ist: um das Wohl und die Macht von Frau Merkel.

 

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