Dienstag, 17. Januar 2017

Ein Wolf ist der Populist dem Populisten

Da zeigt sie sich wieder: die Kurzsichtigkeit der Politik. Da tritt gestern die Generalsekretärin der SPD vor die Mikrophone der Nation und schilt Trump mal wieder einen Populisten, (im Unterton bedeutet dies diesmal wohl "gefährlicher Spinner"), weil er an der NATO kein gutes Haar lässt. (Weil er sie für obsolet hält, wobei niemand so genau weiß, ob er damit "überflüssig" oder "veraltet, nicht mehr zeitgemäß" gemeint hat). Nun weiß ich nicht, ob sich Katarina Barley schon mit 20 für Politik interessiert hat oder nur für ihr Spezialgebiet, die Juristerei –, was sie entschuldigen würde.

Denn damals war ein erheblicher Teil der Partei, in die sie wenige Jahre später eingetreten ist, nicht nur gegen die nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes stattfindende NATO-Osterweiterung, sondern sie wollten diese NATO wegen Verlust der Geschäftsgrundlage sogar abschaffen.

Gegen eine Ost- und Süderweiterung der NATO wandten sich in Deutschland auch politische Strömungen - unter anderen die Friedensbewegung, Teile der SPD und der Grünen. Sie favorisierten nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eine gesamteuropäische Sicherheitsordnung, in der ein Bündnis wie die NATO überflüssig sei. Mit der Erweiterung der NATO sahen sie abermals Grenzlinien gezogen zwischen denen, die dazugehörten bzw. dazukommen sollten, und denen, für die wie im Fall Russlands eine Mitgliedschaft nicht in Aussicht stehe. Dadurch werde die Chance, die sicherheitspolitische Zweiteilung Europas endgültig zu überwinden, verpasst.

Waren das damals auch alles schwachsinnige Populisten? Nun ja, es ist das Vorrecht der Jugend, alles schwachsinnig zu finden, was die Väter- – und im Gender-Zeitalter auch die Mütter- – Generation gedacht, getan oder zu tun vergessen und unterlassen hat.

Dass Politiker nicht nur kurzsichtig sind, sondern auch unter Einengung des Blickfeldes leiden, zeigt der Fall der "Annexion der Krim" durch Putin. (Fast) alle Politiker in diesem Land, zumindest die der damals etablierten Parteien, was zum Zeitpunkt der "Annexion" die Linken noch ausschloss, weil die AfD als neue "undemokratische" Partei noch in den Windeln lag, waren und sind sich einig: Das war eine räuberische Landnahme mittels Gewalt. Eine Annexion also. Jeder, der dagegen sprach und spricht, war und ist Putinfreund und – wie sollte es anders sein, ein Populist.

Putin ist in diesem Sinne ein Populist, denn für ihn war das keine Annexion. Die Mehrheit der Juristen sieht das genauso. Ein weiteres Heer von Populisten.

Was auf der Krim stattgefunden hat, war etwas anderes: eine Sezession, die Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit, bestätigt von einem Referendum, das die Abspaltung von der Ukraine billigte. Ihm folgte der Antrag auf Beitritt zur Russischen Föderation, den Moskau annahm. Sezession, Referendum und Beitritt schließen eine Annexion aus, und zwar selbst dann, wenn alle drei völkerrechtswidrig gewesen sein sollten. Der Unterschied zur Annexion, den sie markieren, ist ungefähr der zwischen Wegnehmen und Annehmen. Auch wenn ein Geber, hier die De-facto-Regierung der Krim, rechtswidrig handelt, macht er den Annehmenden nicht zum Wegnehmer. Man mag ja die ganze Transaktion aus Rechtsgründen für nichtig halten. Das macht sie dennoch nicht zur Annexion.

Jetzt kann man zu diesem "Annehmen" dieses großzügigen "Geschenkes" stehen wie man will. (Selbst wenn man die Krim ursprünglich für ein zu großzügiges Geschenk eines zu besoffenen Chruschtschows an sein Geburtsland Ukraine hält, könnte man selbst dann sagen: Geschenkt ist nun mal geschenkt.) Eines ist aber klar: Der Bezug auf das im Sinne einer Annexion angeblich verletzte Völkerrecht ist falsch, und weil sie das wissen, ist es Propaganda westlicher Politiker, ist das reiner Populismus, und wird durch ständiges Wiederholen nicht wahrer.

Fazit: Die niedrigste Form einer politischen Auseinandersetzung ist, wenn sich Politiker gegenseitig als Populisten beschimpfen. Und ist gleichzeitig auch die kurzsichtigste.

Darunter – sollte man zumindest meinen – leidet im Moment die SPD. Muss sie doch nicht nur, sondern will sie auch, weil überzeugt davon, damit notwendige und für das Volk gute Politik zu machen, eine populistische Forderung des Populisten Seehofers nach der andern in Gesetze umwandeln.

Ist dieses Umsetzen jetzt reiner Populismus?

Oder war das Verteufeln Seehofers als Populisten Populismus?

Oder war weder das eine noch das andere Populismus, sondern ganz normales politisches Agieren von Politikern mit unterschiedlichen Meinungen und Wertvorstellungen?

Natürlich das Letztere. Nur scheint in einer auf Konsens gebürsteten Gesellschaft schon ein Standpunkt nur ganz knapp neben der Mittel des Mainstreams schon so irritierend zu wirken, dass der, der diesen wortgewaltig einnimmt, schon eine Randfigur, ein gefährlicher, ein diese Kuschelgesellschaft verstörender Populist sein muss.

Diffamierung scheint der Plan B für jeden (Politiker) zu sein, der merkt, dass der andere (auch) Recht hat.

 

Foto: Das Schwalbennest ist ein Wahrzeichen der Halbinsel Krim. Foto: Bildpixel / pixelio.de

 

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...