Freitag, 7. Mai 2010

Griechenland brennt

Griechenland geht in die Knie, und alle Menschen guten Willens fragen sich: Warum?
Die anderen haben längst ihr Urteil gesprochen: zu faul, zu viele und zu lange Siestas, der weite haltlose, weil ungehaltene Blick übers Meer mit Tateinheit einlullende Brandungsgeräusche. Was der Nordeuropäer nur in kleinen Scheibchen zu sich nehme – und auch nur in Konserve -, die er im CD-Player abspielt, nehme der Südländer die volle 24-h-Ladung.
Wir aber glauben nicht nur, das ist zu kurz gesprungen. Wir wissen es auch. Und jeder hätte es sehen können: Nirgendwo brennen mehr Autos als bei Krawallen im Süden. Und genau das ist es. Doch Schritt für Schritt: Wie der Grieche auch, wächst der junge deutsche Mann glücklich auf – in der Obhut seiner liebenden Mutter. Dann werden dem jungen Mann hier die Sinne vernebelt und bald heiratet er. Und das alles geht dem jungen Griechen genauso. Und der junge Grieche bezieht mit seiner Frau ein gemeinsames Haus, das bald das ihre sein wird. Und dem Deutschen geht es ganz genauso. Es kommt zu den üblichen Ehekrachs, in deren Verlauf seine Xanthippe ihn vor die Tür setzt. Auch das läuft in Deutschland und Griechenland noch völlig gleich ab. Und weil beides Männer sind, ergreift sie draußen im Freien auch beide gleichermaßen die Erkenntnis, die da heißt: „Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir“, und beginnen zu philosophieren. Aber schlechtes Wetter treibt beide zurück ins Trockene - und hier trennt das Schicksal unerbittlich den Griechen vom Deutschen. Denn der Deutsche flüchtet in seine Garage, weil er eine hat. Und wühlt dort in längst vergessenen, noch original verpackten Mitbringseln von Beutezügen durch die Discounter: Die Kreissäge mit angeflanschtem Absaugstutzen und 3-t-Betonfundament für den verwöhnten Heimwerker. Die Hilti mit dem 6-Gang-Getriebe, zuzüglich 2 Rückwärtsgängen. Besonders stolz ist er auf das wahre Schnäppchen, das bei Aldi unter dem Konservenobst einsortiert war: eine Thomas-Birne mit schwenkbaren 6000 l Abblasvolumen, die er zum Preis von 850 Gramm Pfirsich Melba bekam - und die Laubsäge, mit der er der Fremden in seinem Haus vor gerade mal zehn Jahren noch Herzchen aussägte.
Und während der Grieche noch den vorbeieilenden Römer anpflaumt. „Geh mir aus der Sonne“, legt der Deutsche im Schatten seiner Garage los. Und es wird ein ungleiches Rennen. Der Grieche kommt endlich zu einem Fass, da geht der Trend in Deutschland schon zur Zweitgarage. Und während der Grieche am Strand noch „Malen nach Zahlen“ übt und wieder den vorbeieilenden Römer anmacht: „Störe meine Kreise nicht“, hat der Deutsche an die Zweitgarage längst angebaut, und sein Unternehmen ist inzwischen ein eigenständiger Stadtteil seiner Heimatstadt. Und während der Grieche den Satz des Thales formuliert, ist unser Deutscher längst ganz oben angekommen, baut private Fußballstadien und kauft Wochenende für Wochenende die Schauspieler- und Musiker-Elite des Landes für Grillfestchen in ganz kleinem Rahmen. Derweil brennen in Griechenland immer noch die Autos im Freien.
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